Europaschule in Niedersachsen
RdErl. d. MK v. 15.6.2023 - 21-46531 (SVBl. 8/2023 S. 409) - VORIS 22410 -
Bezug: RdErl. „Bezeichnung und Siegelführung der Schulen“ v. 5.11.2021 (Nds. MBl. S. 1665, SVBl. S. 644) - VORIS 11410 -

1. Begriffsbestimmung

Europaschulen in Niedersachsen vermitteln ihren Schülerinnen und Schülern ein umfassendes Wissen über Europa und tragen zur Stärkung der gemeinsamen europäischen Grundwerte und zum Verständnis für die europäische Kultur und Vielfalt bei. Sie bieten ihren Schülerinnen und Schülern vielfältige Möglichkeiten, Europakompetenzen zu entwickeln und bereiten damit auf das Leben und Arbeiten in Europa vor.

Die Bedeutung dieser Aufgabe wird u. a. veranschaulicht durch

  • die KMK-Empfehlung „Europabildung in der Schule“ (Beschluss d. KMK vom 8.6.1978 i. d. F. vom 15.10.2020),
  • die Empfehlung des Rates der Europäischen Union zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen vom 22.5.2018 (Amtsblatt C 189/1 vom 4.6.2018),
  • die Empfehlung des Rates der Europäischen Union zur Förderung gemeinsamer Werte, inklusiver Bildung und der europäischen Dimension im Unterricht vom 22.5.2018 (Amtsblatt C 195/1 vom 7.6.2018).

Öffentliche sowie in freier Trägerschaft geführte allgemein bildende und berufsbildende Schulen in Niedersachsen mit einem europäischen interkulturellen Schulprofil können auf Antrag die Zusatzbezeichnung „Europaschule in Niedersachsen“ verwenden, wenn ihre Arbeit den Vorgaben dieses RdErl. entspricht.

2. Aufgaben und Ziele der Europaschule in Niedersachsen

Europaschulen in Niedersachsen haben das Ziel, Kenntnisse über Europa und europäische Institutionen zu fördern, die aktive Teilhabe an der Unionsbürgerschaft sowie die Mehrsprachigkeit zu stärken und in besonderem Maße die Entwicklung interkultureller Kompetenzen und Demokratiekompetenzen zu ermöglichen und zu unterstützen. Das Schulprofil, Schulprogramm bzw. Leitbild ist an diesem Europaprofil ausgerichtet. Entsprechende unterrichtsergänzende Aktivitäten sind fester Bestandteil des schulischen Lebens.

2.1 Verankerung im Schulprofil, Schulprogramm bzw. Leitbild

Europaschulen in Niedersachsen machen es sich zur Aufgabe, u.a.

  • den Gedanken des toleranten und solidarischen Miteinanders aller Menschen in Europa sowie die Achtung, Anerkennung und Wertschätzung für die kulturelle Vielfalt Europas zu entwickeln bzw. zu vertiefen, insbesondere den Wert der Idee einer gemeinsamen Zukunft aller Europäerinnen und Europäer in Frieden und Freiheit schätzen zu lernen,
  • • das Interesse der Schülerinnen und Schüler an der Europäischen Union zu fördern, Wissen über die Europäische Union zu vermitteln und das Verständnis für europäische Fragen zu vertiefen,
  • Schülerinnen und Schüler auf ein demokratisches, nachhaltiges und zukunftsorientiertes Leben in Europa vorzubereiten sowie dessen Chancen und Möglichkeiten sinnvoll und verantwortungsbewusst zu nutzen, insbesondere durch konkrete Handlungsansätze und Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung mit dem Ziel, verantwortungsbewusst zum Schutz der Umwelt, für eine bestandsfähige Wirtschaft und einer global nachhaltigen gerechten Gesellschaft für aktuelle und zukünftige Generationen zu handeln.

2.2 Integration europäischer Themen in den Unterricht („Europa- Curriculum“)

Europaschulen in Niedersachsen machen es sich zur Aufgabe, ein fächerübergreifendes „Europa-Curriculum“ zu entwickeln und fortlaufend umzusetzen. Dieses umfasst viele Bereiche der jeweiligen Schule. Es findet seinen Niederschlag in einzelnen Fachunterrichtsinhalten bzw. Lernsituationen sowie in geeigneten - auch übergreifenden - Projekten, Arbeitsgruppen und Veranstaltungen (z.B. Europawochen, Europatag am 9. Mai, EU-Projekttag).

2.3 Förderung der Mehrsprachigkeit und des Fremdsprachenprofils

Europaschulen in Niedersachsen machen es sich zur Aufgabe,

  • die Vielfalt der Sprachen und Kulturen in Unterricht und Schulkultur sichtbar und durch pädagogische Angebote möglichst schulweit erfahrbar zu machen. Ziel ist es, dafür eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung zu entwickeln,
  • ein Fremdsprachenangebot vorzuhalten, das über die für unterschiedliche Schulformen bestehenden Mindestanforderungen hinausgeht u. a. durch Angebote im Regelunterricht, im Wahlpflichtunterricht und in zusätzlichen Arbeitsgemeinschaften. Dies schließt bilingualen Sachfachunterricht im allgemein bildenden Bereich bzw. bilingualen Unterricht im berufsübergreifenden und berufsbezogenen Lernbereich sowie die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf Sprachzertifikate ein,
  • das vielfältige sprachliche Potenzial von Schülerinnen und Schülern bei einem erweiterten Fremdsprachenangebot der Schule nach Möglichkeit zu berücksichtigen.

2.4 Entwicklung und Stärkung interkultureller Kompetenzen

Europaschulen in Niedersachsen machen es sich zur Aufgabe, die interkulturelle Öffnung von Unterricht und Schulkultur weiterzuentwickeln und allen Schülerinnen und Schülern konkrete Lernmöglichkeiten für die Entwicklung interkultureller Kompetenzen zu eröffnen, z. B. durch

  • die Einbeziehung von Kompetenzen, die sich aus der sprachlichen, kulturellen und sozialen Heterogenität der Lerngruppen ergeben; lebensweltlich erworbene interkulturelle Erfahrungen von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Erziehungsberechtigten mit Migrationsgeschichte werden in pädagogische Angebote einbezogen und Unterricht wird mehrperspektivisch gestaltet,
  • interkulturelle Trainings, die dazu beitragen, eigene Wertvorstellungen und Handlungen zu reflektieren und Neugier und Offenheit soziokultureller Vielfalt gegenüber zu entwickeln,
  • die Bereitschaft, auf der Grundlage einer Wertschätzung für das Leben in anderen europäischen Ländern das Lernen voneinander zu entwickeln,
  • die regelmäßige Durchführung und Auswertung von themenbezogenen Schüleraustauschmaßnahmen und Studienfahrten zur persönlichen Begegnung,
  • einen internetbasierten Austausch sowie virtuelle Projekte, z. B. mit eTwinning,
  • kontinuierlich durchgeführte länderübergreifende Aktivitäten, wie dauerhaft aktive Partnerschaften mit Schulen, Ausbildungsunternehmen oder anderen Partnerinnen und Partnern im europäischen Ausland; die Projekte und Begegnungen werden in den Unterricht integriert,
  • die Nutzung von EU-Programmen, insbesondere die vielfältigen Möglichkeiten von Erasmus+,
  • die Kooperation mit weiteren Institutionen (z. B. Stiftungen, Jugendwerke), die sich die Förderung des europäischen Gedankens zu ihrer Aufgabe gemacht haben,
  • das Angebot an berufsbildenden Schulen, Berufsausbildungsabschnitte im europäischen Ausland durchzuführen,
  • Fortbildungs- und Hospitationsaufenthalte von Lehrenden im Ausland zur Weiterentwicklung ihrer interkulturellen und fachlichen Kompetenzen,
  • die Aufnahme von Fremdsprachenassistentinnen und Fremdsprachenassistenten sowie ausländischen (Deutsch-)Lehrkräften im Rahmen der verschiedenen Austausch- und Entsendemaßnahmen, um den Fremdsprachenunterricht zu unterstützen und den Erwerb interkultureller Kompetenzen zu ermöglichen,
  • das Angebot an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen, im Curriculum vorgesehene Betriebspraktika auch im Ausland durchführen zu können.

2.5 Teilnahme an europäischen Projekten, Aktionen, Wettbewerben, Jugendforen, Planspielen und sonstigen geeigneten Veranstaltungen

Europaschulen in Niedersachsen beteiligen sich an europäischen Projekten, Aktionen, Wettbewerben, Jugendforen, Planspielen sowie Veranstaltungen, die der Förderung der europäischen Orientierung dienen und diese vertiefen (z. B. Teilnahme am Europäischen Wettbewerb, am EU-Projekttag, die öffentlichkeitswirksame Beteiligung an binationalen Aktionen wie z. B. dem Deutsch-Französischen Tag).

2.6 Vernetzung

Europaschulen in Niedersachsen machen es sich zur Aufgabe, als Multiplikatorinnen der europäischen Idee zu wirken und deshalb mit möglichst vielen, insbesondere regionalen, außerschulischen Partnerinnen und Partnern zusammenzuarbeiten, die sich der Förderung des europäischen Gedankens verschrieben haben (z. B. Bildungsregionen, Städtepartnerschaftsvereine, Integrationsbeauftragte, Migrantenselbstorganisationen, Europaabgeordnete, Universitäten, Verein Europaschulen in Niedersachsen e. V.).

2.7 Personalentwicklung und -qualifizierung

Europaschulen in Niedersachsen machen es sich zur Aufgabe, die Personalentwicklung und -qualifizierung in den Themenbereichen Europa, Demokratiebildung und interkulturelle Kompetenzen besonders zu forcieren; im Fortbildungskonzept der Europaschulen findet Fortbildung in europäischen Themen, Demokratiebildung, interkultureller Bildung, Sprachen und in Bezug auf Austauschmaßnahmen besondere Berücksichtigung.

2.8 Qualitätssicherung

Europaschulen in Niedersachsen machen es sich zur Aufgabe,

  • die Aktivitäten der Schule im Hinblick auf den europäischen Schwerpunkt in der schulischen Gesamtplanung angemessen zu berücksichtigen und intern zu evaluieren,
  • die Digitalisierung mit ihren Möglichkeiten zur Förderung der europaweiten Kommunikation zu nutzen.

3. Zertifizierung

Schulen, die erstmals die Zusatzbezeichnung „Europaschule in Niedersachsen“ verwenden möchten, reichen ihren Antrag bei dem für sie zuständigen RLSB ein. Der Antrag bedarf der Zustimmung des Schulträgers.

Der Antrag ist formlos - in Papierform und / oder elektronisch - bis zum 1. März eines jeden Jahres zu stellen. Im Antrag ist darzulegen und zu begründen, welche Kriterien (2.1 bis 2.8) die Schule erfüllt.

Zusätzlich soll der Antrag enthalten

  • eine Selbsteinschätzung der Schule anhand des Scoring- Modells - Anlage 1 -,
  • eine Dokumentation ausgewählter bereits stattgefundener Maßnahmen und Aktivitäten,
  • eine Darstellung der geplanten Maßnahmen und Aktivitäten.

Schulen wird empfohlen, sich im Vorfeld einer Antragstellung von dem für sie zuständigen RLSB beraten zu lassen.

Re-Zertifizierung

Schulen, denen die Verwendung der Zusatzbezeichnung „Europaschule in Niedersachsen“ genehmigt wurde, können rechtzeitig vor Ablauf der Genehmigungsfrist die weitere Verwendung bei dem für sie zuständigen RLSB beantragen. Bei diesem Antrag ist analog Nr. 3 unter Verwendung der Anlage 2 zu verfahren.

Schulen, die keinen erneuten Antrag stellen, sind nach Ablauf der Genehmigungsfrist nicht mehr berechtigt, die Zusatzbezeichnung „Europaschule in Niedersachsen“ zu verwenden.

5. Prüfung, Genehmigung und Veröffentlichung

Die Bewertung der Kriterien sind dem Scoring-Modell - Anlage 1 bzw. Anlage 2 - zu entnehmen.

Bei der Bewertung des Antrags und der Vergabe der Punkte stehen schulformspezifische Ausprägungen im Vordergrund und werden entsprechend berücksichtigt.

In den RLSB prüfen die für die Schule und die für Europa / Internationales zuständigen Dezernentinnen und Dezernenten, ob die Voraussetzungen nach diesem RdErl. vorliegen und setzen die erreichte Punktzahl anhand des jeweiligen Scoring-Modells fest. Das Ergebnis der Prüfung wird der Schule mitgeteilt.

Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung, die Zusatzbezeichnung „Europaschule in Niedersachsen“ verwenden zu dürfen, ist das Erreichen von mindestens 80 Punkten entsprechend der jeweiligen Anlage.

Die Genehmigung, die Zusatzbezeichnung „Europaschule in Niedersachsen“ verwenden zu dürfen, wird zum jeweiligen Schuljahresbeginn für die Dauer von fünf Jahren durch das RLSB erteilt. Die RLSB berichten jährlich zum Schuljahresbeginn dem MK über die neu erteilten Genehmigungen und veröffentlichen auf dem Bildungsportal Niedersachsen ein aktuelles Verzeichnis der „Europaschulen in Niedersachsen“.

6. Schlussbestimmungen

Dieser RdErl. tritt am 1.8.2023 in Kraft und mit Ablauf des 31.7.2028 außer Kraft.

Anlage1:
Scoring-Modell für die Antragstellung zur Zertifizierung als "Europaschule in Niedersachsen"
(pdf-Datei)
Anlage 2:
Scoring-Modell für die Antragstellung zur Re-Zertifizierung als „Europaschule in Niedersachsen“
(pdf-Datei)


Schule und Recht in Niedersachsen (www.schure.de)