Niedersächsisches Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG)
Art.1 des Gesetzes vom 25. November 2007 (Nds.GVBl. Nr.37/2007 S.661), geändert durch Gesetz vom 3.4.2014 (Nds.GVBl. Nr.7/2014 S.90), 25.10.2018 (Nds. GVBl. Nr. 14/2018 S. 217) und vom 16.12.2021 (Nds. GVBl. Nr. 49/2021 S. 921) - VORIS 84200 -

§ 1
Ziel des Gesetzes, Verantwortung öffentlicher Stellen

(1) 1Ziel des Gesetzes ist es, in Erfüllung der Verpflichtungen insbesondere aus Artikel 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl. II 2008 S. 1419), im Folgenden: UN-Behindertenrechtskonvention,

  1. Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern,
  2. die volle Verwirklichung der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft in allen Lebensbereichen ohne jede Benachteiligung wegen einer Behinderung zu gewährleisten und zu fördern und
  3. Menschen mit Behinderungen eine selbstbestimmte Lebensführung in Würde und die volle Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen.

2Dabei wird ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung getragen.

(2) 1Die öffentlichen Stellen sollen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereichs die in Absatz 1 genannten Ziele aktiv fördern und bei der Planung von Maßnahmen beachten. 2Für die Ausführung von Bundesrecht gilt § 1 Abs. 2 Satz 2 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG).

§ 2
Begriffsbestimmungen, staatliche Anlaufstelle

(1) 1Öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes mit Ausnahme der §§ 9 bis 9 e sind die Behörden, Gerichte und sonstige Einrichtungen des Landes, die Kommunen und deren Zusammenschlüsse in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform sowie die sonstigen der alleinigen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. 2Ausgenommen sind

  1. Gerichte und Behörden, ausschließlich soweit sie Aufgaben der Rechtsprechung, der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung wahrnehmen,
  2. öffentliche Stellen im Sinne des Satzes 1, ausschließlich soweit sie zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten tätig werden.

(2) 1Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Gesetzes sind Menschen, die langfristige körperliche, seelische oder geistige Beeinträchtigungen oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen, insbesondere einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf gleichberechtigter Grundlage mit anderen hindern können. 2Langfristig ist ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert.

(3) 1Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. 2Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.

(4) 1Das für Soziales zuständige Ministerium ist staatliche Anlaufstelle im Sinne des Artikels 33 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention. 2Es koordiniert und steuert den Prozess der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Niedersachsen.

§ 3
Frauen mit Behinderungen, Benachteiligung wegen mehrerer Gründe

(1) 1Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zur Vermeidung von Benachteiligungen von Frauen mit Behinderungen wegen mehrerer Gründe sind die besonderen Belange von Frauen mit Behinderungen zu berücksichtigen und bestehende Benachteiligungen zu beseitigen. 2Dabei sind besondere Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen mit Behinderungen und zur Beseitigung bestehender Benachteiligungen zulässig.

(2) Unabhängig von Absatz 1 sind die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen, die von Benachteiligungen wegen einer Behinderung und wenigstens eines weiteren in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Grundes betroffen sein können, zu berücksichtigen.

§ 4
Benachteiligungsverbot für öffentliche Stellen

(1) 1Eine öffentliche Stelle darf Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen. 2Eine Benachteiligung liegt vor, wenn Menschen mit und ohne Behinderungen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch Menschen mit Behinderungen in der vollen und wirksamen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf gleichberechtigter Grundlage mit anderen unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden. 3Eine Benachteiligung liegt auch bei einer Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 AGG vor, mit der Maßgabe, dass § 3 Abs. 4 AGG nicht auf den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 AGG begrenzt ist. 4Bei einem Verstoß gegen eine Verpflichtung zur Herstellung von Barrierefreiheit wird das Vorliegen einer Benachteiligung widerleglich vermutet.

(2) 1Die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen ist eine Benachteiligung im Sinne dieses Gesetzes. 2Angemessene Vorkehrungen sind Maßnahmen, die im Einzelfall geeignet und erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass ein Mensch mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen alle Rechte genießen und ausüben kann, und die die öffentlichen Stellen nicht unverhältnismäßig oder unbillig belasten.

(3) 1In Bereichen bestehender Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen gegenüber Menschen ohne Behinderungen sind besondere Maßnahmen zum Abbau und zur Beseitigung dieser Benachteiligungen zulässig. 2Bei der Anwendung von Gesetzen zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist den besonderen Belangen von Frauen mit Behinderungen Rechnung zu tragen.

(4) Besondere Benachteiligungsverbote zugunsten von Menschen mit Behinderungen in anderen Rechtsvorschriften, insbesondere im Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs, bleiben unberührt.

§ 4 a
Gremien

1Soweit öffentliche Stellen Kommissionen, Arbeitsgruppen, Vorstände, Aufsichts- und Verwaltungsräte, Beiräte und sonstige Gremien einrichten oder über deren Zusammensetzung entscheiden oder deren Mitglieder bestimmen können, sollen sie Menschen mit Behinderungen angemessen berücksichtigen. 2Rechtsvorschriften über die Besetzung von Gremien mit Personen, die wegen ihrer Funktion oder aufgrund einer Wahl Mitglied des Gremiums sind, bleiben unberührt.

§ 5
Gebärdensprache und andere Kommunikationshilfen

(1) Die Deutsche Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt.

(2) Lautsprachbegleitende Gebärden sind als Kommunikationsform der deutschen Sprache anerkannt.

(3) 1Menschen mit Hörbehinderung und Menschen mit Sprachbehinderung haben nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften das Recht, die Deutsche Gebärdensprache oder lautsprachbegleitende Gebärden zu verwenden. 2Soweit sie sich nicht in Deutscher Gebärdensprache oder mit lautsprachbegleitenden Gebärden verständigen, haben sie nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften das Recht, andere geeignete Kommunikationshilfen zu verwenden.

§ 6
Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und Kommunikationshilfen

(1) 1Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen haben das Recht, mit öffentlichen Stellen in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen zu kommunizieren, soweit dies zur Wahrnehmung eigener Rechte im Verwaltungsverfahren oder zur Wahrnehmung ihrer Interessen in Kindertagesstätten und Schulen erforderlich ist. 2Dabei ist auf Wunsch der oder des Berechtigten im notwendigen Umfang die Übersetzung durch eine Gebärdensprachdolmetscherin oder einen Gebärdensprachdolmetscher oder die Verständigung über andere geeignete Kommunikationshilfen sicherzustellen. 3Die Hochschulen in staatlicher Verantwortung müssen auf Antrag für einen Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung anstelle von mündlichen Prüfungen und Leistungsfeststellungen Prüfungen und Leistungsfeststellungen in schriftlicher Form oder in Gebärdensprache durchführen, soweit der Prüfungs- oder Leistungsfeststellungszweck nicht entgegensteht.

(2) 1Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die durch Verwendung der Gebärdensprache, lautsprachbegleitender Gebärden und geeigneter Kommunikationshilfen nach Absatz 1 Satz 1 entstehenden Kosten zu tragen. 2Herangezogene Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher oder andere Kommunikationshelferinnen und Kommunikationshelfer erhalten auf Antrag eine Vergütung in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes vom 5.Mai 2004 (BGBl. I S.718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 19 des Gesetzes vom 22.Dezember 2006 (BGBl. I S.3416), in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Das für Soziales zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung Bestimmungen zu erlassen über

  1. die geeigneten Kommunikationshilfen im Sinne des Absatzes 1,
  2. das Nähere der Voraussetzungen und des Umfangs des Anspruchs auf Bereitstellung geeigneter Kommunikationshilfen,
  3. die Art und Weise der Bereitstellung geeigneter Kommunikationshilfen und
  4. in Anlehnung an das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz die Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder eine Erstattung notwendiger Aufwendungen für den Einsatz geeigneter Kommunikationshilfen, soweit nicht Absatz 2 Satz 2 gilt.

§ 7
Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

(1) 1Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten öffentlicher Stellen sind in entsprechender Anwendung der in oder aufgrund der Niedersächsischen Bauordnung getroffenen Bestimmungen barrierefrei zu gestalten. 2Von diesen Anforderungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung die Anforderungen an die Barrierefreiheit in gleichem Maße erfüllt werden. 3Bei großen Um- oder Erweiterungsbauten sind Ausnahmen von Satz 1 zulässig, soweit die Anforderungen an die Barrierefreiheit nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können. 4Die Bestimmungen der Niedersächsischen Bauordnung bleiben im Übrigen unberührt.

(2) Sonstige öffentliche bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Verkehrsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind barrierefrei zu gestalten, soweit dies durch Rechtsvorschrift vorgegeben ist.

(3) 1Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die Barrierefreiheit bei der Anmietung der von ihnen genutzten Bauten zu berücksichtigen. 2Sie sollen nur barrierefreie Bauten oder Bauten, in denen die baulichen Barrieren unter Berücksichtigung der baulichen Gegebenheiten abgebaut werden können, anmieten. 3Satz 2 gilt nicht, falls die Anmietung eines Gebäudes, das die Anforderungen des Satzes 2 erfüllt, eine unangemessene wirtschaftliche Belastung zur Folge hätte.

§ 8
Gestaltung von Verwaltungsakten, Verträgen und Vordrucken

(1) Die öffentlichen Stellen haben bei der Gestaltung von Verwaltungsakten, öffentlich-rechtlichen Verträgen und Vordrucken die unterschiedlichen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen zu berücksichtigen.

(2) Die öffentlichen Stellen haben Menschen mit Behinderungen auf Verlangen Verwaltungsakte, öffentlich- rechtliche Verträge und Vordrucke kostenfrei auch in einer für diese geeigneten und wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen, soweit dies zur Wahrnehmung von Rechten im Verwaltungsverfahren erforderlich ist.

§ 9
Besondere Regelungen für Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen

(1) 1Öffentliche Stellen im Sinne der §§ 9 a bis 9 e sind

  1. das Land, die Kommunen sowie die sonstigen der alleinigen Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
  2. sonstige einer öffentlichen Stelle im Sinne der Nummer 1 zuzuordnende Einrichtungen des öffentlichen Rechts und
  3. Vereinigungen, an denen mindestens eine öffentliche Stelle im Sinne der Nummer 1 oder 2 beteiligt ist und die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen.

2Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 sind Einrichtungen, die

  1. zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,
  2. Rechtspersönlichkeit besitzen und
  3. überwiegend von einer öffentlichen Stelle im Sinne des Satzes 1 finanziert werden, hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht einer solchen Stelle unterstehen oder ein Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan haben, das mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von einer solchen Stelle ernannt worden sind.

3Eine überwiegende Finanzierung wird angenommen, wenn mehr als 50 Prozent der Finanzausstattung der Einrichtung aufgebracht werden, worunter auch Zahlungen von Nutzerinnen und Nutzern fallen können, die nach öffentlich- rechtlichen Rechtsvorschriften auferlegt, berechnet und erhoben werden. 4Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind auch juristische Personen des privaten Rechts, wie etwa in einer solchen Rechtsform organisierte Krankenhäuser, Pflegedienste und Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs, wenn sie die Voraussetzungen nach den Sätzen 2 und 3 erfüllen.

(2) 1Die §§ 9 a bis 9 e gelten nicht für Websites und mobile Anwendungen,

  1. für die nach Artikel 1 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2016/ 2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen (ABl. EU Nr. L 327 S. 1) die Richtlinie nicht gilt, und
  2. von Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft öffentlicher Stellen, mit Ausnahme der Inhalte, die sich auf wesentliche Online-Verwaltungsfunktionen beziehen.

2Die §§ 9 a bis 9 e gelten auch nicht für Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen, für die nach Artikel 1 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 die Richtlinie nicht gilt; § 9 a Abs. 1 Satz 5 bleibt unberührt.

(3) 1Auf Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder in Trägerschaft öffentlicher Stellen ist, soweit die §§ 9 a bis 9 e für ihre Websites und mobilen Anwendungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 nicht gelten, § 9 dieses Gesetzes in der bis zum 1. November 2018 geltenden Fassung weiter anzuwenden. 2Die Einhaltung von sich aus Satz 1 ergebenden Anforderungen ist nicht Gegenstand des Überwachungsverfahrens nach § 9 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und des Durchsetzungsverfahrens nach § 9 d.

§ 9 a
Barrierefreie Informationstechnik öffentlicher Stellen

(1) 1Die öffentlichen Stellen gestalten ihre Websites und mobilen Anwendungen, einschließlich der für ihre Beschäftigten bestimmten Angebote im Intranet, wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust, um sie barrierefrei zugänglich zu machen (barrierefreie Gestaltung). 2Schrittweise, spätestens bis zum 23. Juni 2021, gestalten sie ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe, einschließlich ihrer Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung und elektronischen Aktenführung, barrierefrei. 3Die grafischen Programmoberflächen sind von der barrierefreien Gestaltung umfasst. 4Angebote öffentlicher Stellen im Internet, die auf Websites Dritter, beispielsweise in sozialen Medien, veröffentlicht werden, sind soweit möglich barrierefrei zu gestalten. 5Dateiformate von Büroanwendungen, für die nach Artikel 1 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie (EU) 2016/2102 die Richtlinie nicht gilt, sind von den öffentlichen Stellen schrittweise mit dem Ziel umzugestalten, die Barrierefreiheitsanforderungen nach Satz 1 zu erfüllen.

(2) 1Die barrierefreie Gestaltung erfolgt nach Maßgabe der nach § 9 e zu erlassenden Verordnung. 2Soweit diese Verordnung keine Vorgabe enthält, erfolgt die barrierefreie Gestaltung nach den anerkannten Regeln der Technik.

(3) Insbesondere bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen ist die barrierefreie Gestaltung bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung zu berücksichtigen.

(4) 1Von der barrierefreien Gestaltung können öffentliche Stellen ausnahmsweise absehen oder diese schrittweise herstellen, soweit sie durch eine barrierefreie Gestaltung unverhältnismäßig belastet würden. 2Inwieweit eine unverhältnismäßige Belastung bewirkt würde, ist von der öffentlichen Stelle nach Maßgabe und anhand der Kriterien des Artikels 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu bewerten; die Bewertung ist so zu dokumentieren, dass eine Überprüfung im Rahmen des Durchsetzungsverfahrens nach § 9 d ermöglicht wird.

§ 9 b
Erklärung zur Barrierefreiheit

(1) Die öffentlichen Stellen veröffentlichen eine detaillierte, umfassende und klare Erklärung zur Barrierefreiheit ihrer Websites oder mobilen Anwendungen und aktualisieren diese bei Bedarf.

(2) Die Erklärung der Barrierefreiheit enthält

  1. für den Fall, dass ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung erfolgt ist,
    a)
    die Benennung der Teile des Inhalts, die nicht barrierefrei zugänglich sind,
    b)
    die Gründe für diese Unzugänglichkeit sowie
    c)
    gegebenenfalls einen Hinweis auf barrierefrei zugängliche Alternativen,
  2. eine Beschreibung und eine Verlinkung zur elektronischen Kontaktaufnahme, über die die Nutzerinnen und Nutzer der betreffenden öffentlichen Stelle jegliche Mängel ihrer Websites und mobilen Anwendungen bei der Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen mitteilen, die Gründe für die nicht barrierefreie Gestaltung von Informationen erfragen und die nach § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 9 a Abs. 4 Satz 1 von der Barrierefreiheit ausgenommenen Informationen in einem für sie zugänglichen Format anfordern können,
  3. einen Hinweis auf das Durchsetzungsverfahren nach § 9 d, der
    a)
    die Möglichkeit, ein Durchsetzungsverfahren durchzuführen, erläutert und
    b)
    eine Verlinkung zur Schlichtungsstelle enthält.

(3) Zu veröffentlichen ist die Erklärung zur Barrierefreiheit

  1. auf Websites öffentlicher Stellen, die nicht vor dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden, ab dem 23. September 2019,
  2. auf Websites öffentlicher Stellen, die nicht unter Nummer 1 fallen, ab dem 23. September 2020,
  3. auf mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen ab dem 23. Juni 2021.

(4) Die öffentlichen Stellen antworten auf Mitteilungen, Anfragen und Anträge nach Absatz 2 Nr. 2 innerhalb eines Monats.

§ 9 c
Überwachungsstelle und Berichterstattung

(1) 1Bei dem für Soziales zuständigen Ministerium wird eine Überwachungsstelle des Landes für die Barrierefreiheit von Informationstechnik eingerichtet. 2Ihre Aufgaben sind

  1. periodisch nach Maßgabe des Artikels 8 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu überwachen, ob und inwiefern Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen den Anforderungen an die Barrierefreiheit genügen,
  2. zu überwachen, ob festgestellte Mängel beseitigt wurden, und, soweit erforderlich, die öffentlichen Stellen hinsichtlich der Beseitigung festgestellter Mängel zu beraten,
  3. Schulungsprogramme im Sinne des Artikels 7 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zu fördern und zu erleichtern,
  4. Sensibilisierungsmaßnahmen im Sinne des Artikels 7 Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2016/2102 durchzuführen,
  5. die nach § 12 c Abs. 2 BGG zu erstattenden Berichte des Landes zu erstellen und
  6. als sachverständige Stelle die Schlichtungsstelle nach § 9 d zu unterstützen.

3Der Bericht nach Satz 2 Nr. 5 ist auch dem Landtag vorzulegen.

(2) Die obersten Landesbehörden unterstützen die Überwachungsstelle bei der Erstellung des Berichts nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 5 und erstellen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren ihrer Informationstechnik.

§ 9 d
Schlichtungsstelle, Durchsetzungsverfahren, Verordnungsermächtigung

(1) 1Bei der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen wird eine Schlichtungsstelle zur Beilegung von Streitigkeiten nach den Absätzen 2 und 3 eingerichtet, die für das Durchsetzungsverfahren im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie (EU) 2016/2102 zuständig ist. 2Sie wird mit neutralen schlichtenden Personen besetzt und hat eine Geschäftsstelle. 3Das Verfahren der Schlichtungsstelle muss insbesondere gewährleisten, dass

  1. die Schlichtungsstelle unabhängig ist und unparteiisch handelt,
  2. die Verfahrensregeln für Interessierte zugänglich sind,
  3. die Beteiligten des Schlichtungsverfahrens rechtliches Gehör erhalten, insbesondere Tatsachen und Bewertungen vorbringen können,
  4. die schlichtenden Personen und die in der Schlichtungsstelle Beschäftigten die Vertraulichkeit der Informationen gewährleisten, von denen sie im Schlichtungsverfahren Kenntnis erhalten, und
  5. eine barrierefreie Kommunikation mit der Schlichtungsstelle möglich ist.

(2) Ist eine Nutzerin oder ein Nutzer der Ansicht, dass eine öffentliche Stelle

  1. 1. eine Mitteilung, eine Anfrage oder einen Antrag der Nutzerin oder des Nutzers nach § 9 b Abs. 2 Nr. 2 nicht wirksam behandelt hat oder
  2. 2. eine Bewertung nach § 9 a Abs. 4 unrichtig vorgenommen hat,

so kann sie oder er bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen.

(3) Ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband kann bei der Schlichtungsstelle nach Absatz 1 einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens stellen, wenn er einen Verstoß einer öffentlichen Stelle gegen deren Pflichten nach § 9 a oder § 9 b behauptet.

(4) 1Der Antrag nach den Absätzen 2 und 3 kann in Textform oder zur Niederschrift bei der Schlichtungsstelle gestellt werden. 2Diese übermittelt zur Durchführung des Schlichtungsverfahrens eine Abschrift des Schlichtungsantrags an die öffentliche Stelle.

(5) 1Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die Schlichtungsstelle bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. 2Dies umfasst auch, der Schlichtungsstelle auf Ersuchen Auskünfte zu erteilen und Einsicht in Akten und sonstige Unterlagen zu gewähren.

(6) 1Die Schlichtungsstelle kann die nach § 9 c eingerichtete Überwachungsstelle über deren Beratungspflichten hinaus beteiligen. 2Sie kann im Einzelfall die Überprüfung einer Website oder mobilen Anwendung einer öffentlichen Stelle verlangen.

(7) 1Die schlichtende Person wirkt in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hin. 2Sie kann einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten. 3Der Schlichtungsvorschlag soll am geltenden Recht ausgerichtet sein. 4Die schlichtende Person kann den Einsatz von Mediation anbieten.

(8) Das Schlichtungsverfahren ist für die Beteiligten unentgeltlich.

(9) 1Das Schlichtungsverfahren endet mit der Einigung der Beteiligten, der Rücknahme des Schlichtungsantrags oder der Feststellung, dass keine Einigung möglich ist. 2Wenn keine Einigung möglich ist, endet das Schlichtungsverfahren mit der Zustellung der Bestätigung der Schlichtungsstelle an die Antragstellerin oder den Antragsteller, dass keine gütliche Einigung erzielt werden konnte. 3Kommt eine gütliche Einigung nicht zustande, so kann die Schlichtungsstelle die für die betreffende öffentliche Stelle zuständige Aufsichtsbehörde um Überprüfung der Angelegenheit ersuchen.

(10) 1Das für Soziales zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Verordnung das Nähere über die Geschäftsstelle, die Besetzung und das Verfahren der Schlichtungsstelle nach den Absätzen 1, 4 bis 7 und 9 zu regeln sowie weitere Vorschriften über die Kosten des Verfahrens und die Entschädigung zu erlassen. 2Die Verordnung regelt auch das Nähere zu Tätigkeitsberichten der Schlichtungsstelle.

§ 9 e
Verordnungsermächtigung

Das für Soziales zuständige Ministerium erlässt durch Verordnung Bestimmungen über

  1. diejenigen Websites und mobilen Anwendungen sowie Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen, auf die sich der Geltungsbereich der Verordnung bezieht,
  2. die technischen Standards, die öffentliche Stellen bei der barrierefreien Gestaltung anzuwenden haben, und den Zeitpunkt, ab dem diese Standards anzuwenden sind,
  3. die Bereiche und Arten amtlicher Informationen, die barrierefrei zu gestalten sind,
  4. die konkreten Anforderungen der Erklärung zur Barrierefreiheit,
  5. die konkreten Anforderungen der Berichterstattung über den Stand der Barrierefreiheit und
  6. die Einzelheiten des Überwachungsverfahrens nach § 9 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 1.

§ 10
Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderungen

(1) 1Die Landesregierung bestellt eine hauptberufliche Landesbeauftragte oder einen hauptberuflichen Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen, der amtierende Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen hat ein Vorschlagsrecht und ist vor der Bestellung anzuhören. 2Die oder der Landesbeauftragte soll ein Mensch mit Behinderung sein. 3Sie oder er ist in der Wahrnehmung des Amtes unabhängig.

(2) Die oder der Landesbeauftragte ist dem für Soziales zuständigen Ministerium zugeordnet; ihr oder ihm ist die für die Erfüllung der Aufgaben notwendige Ausstattung zur Verfügung zu stellen.

(3) Die Bestellung endet, außer aus beamten- oder arbeitsrechtlichen Gründen, durch Abberufung durch die Landesregierung.

§ 11
Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen

(1) 1Aufgabe der oder des Landesbeauftragten ist es, darauf hinzuwirken, dass die Ziele des Gesetzes verwirklicht werden und die öffentlichen Stellen die Verpflichtungen nach diesem Gesetz mit Ausnahme der §§ 9 bis 9 e erfüllen. 2Die oder der Landesbeauftragte hat ferner darauf hinzuwirken, dass die Verpflichtungen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 BGG erfüllt werden.

(2) Die oder der Landesbeauftragte nimmt ferner unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft die Aufgabe des staatlichen Koordinierungsmechanismus gemäß Artikel 33 Abs. 1 der UN-Behindertenrechtskonvention wahr.

(3) 1Die Ministerien und die Staatskanzlei beteiligen die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten bei der Vorbereitung von Gesetzen, Verordnungen und sonstigen wichtigen Vorhaben, soweit diese die Zielsetzung dieses Gesetzes betreffen. 2Werden Vorschläge oder Anregungen der oder des Landesbeauftragten nicht berücksichtigt, so sind ihr oder ihm die Gründe dafür in geeigneter Weise mitzuteilen.

(4) 1Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, die Landesbeauftragte oder den Landesbeauftragten bei der Erfüllung ihrer oder seiner Aufgaben zu unterstützen, insbesondere Auskünfte zu erteilen und Einsicht in Unterlagen zu gewähren, soweit dies zur sachgerechten Aufgabenwahrnehmung erforderlich und im Rahmen der Gesetze zulässig ist. 2Die Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten bleiben unberührt.

§ 12
Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen

(1) Die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen richtet einen Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen ein, der sie oder ihn bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unterstützt.

(2) 1Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen besteht aus der oder dem Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen als vorsitzendem Mitglied und 20 weiteren Mitgliedern. 2Als weitere Mitglieder beruft die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen für die Dauer der jeweiligen Wahlperiode des Landtages

  1. zehn Personen auf Vorschläge von Landesverbänden von Selbsthilfe- oder Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen,
  2. fünf Personen auf Vorschlag der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Niedersachsen,
  3. je eine Person auf Vorschlag eines jeden kommunalen Spitzenverbandes,
  4. eine Person auf Vorschlag von Gewerkschaften und
  5. eine Person auf Vorschlag von Unternehmensverbänden.

3Für jedes weitere Mitglied beruft die oder der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen ein stellvertretendes Mitglied; Satz 2 gilt entsprechend. 4Außerdem beruft sie oder er eines der weiteren Mitglieder zu ihrer oder seiner Stellvertreterin oder zu ihrem oder seinem Stellvertreter. 5Die weiteren Mitglieder und die für sie berufenen stellvertretenden Mitglieder nehmen ihre Aufgabe ehrenamtlich wahr. 6Das Land trägt die notwendigen Reisekosten der Mitglieder nach Satz 2 Nr. 1.

(3) 1Der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen gibt sich im Benehmen mit dem für Soziales zuständigen Ministerium eine Geschäftsordnung. 2In der Geschäftsordnung sind insbesondere Regelungen über die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung von Sitzungen sowie über die Beschlussfassung zu treffen.

§ 12 a
Kommunale Beiräte oder Gremien und Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Inklusionskonferenzen und -berichte, Niedersächsischer Inklusionsrat von Menschen mit Behinderungen

(1) 1Die Landkreise, die Region Hannover und die kreisfreien Städte sowie die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen richten zu ihrer Unterstützung bei der Verwirklichung der Zielsetzung dieses Gesetzes jeweils einen Beirat oder ein vergleichbares Gremium ein. 2Andere Kommunen können einen solchen Beirat oder ein vergleichbares Gremium einrichten. 3Die Kommunen können ferner Beauftragte für Menschen mit Behinderungen bestellen. 4Näheres wird durch Satzung bestimmt.

(2) 1Die in Absatz 1 Satz 1 genannten Gebietskörperschaften führen alle fünf Jahre Inklusionskonferenzen mit dem Ziel durch, die Inklusion auf örtlicher Ebene zu stärken und ein koordiniertes Vorgehen zu ermöglichen. 2Sie erstellen alle fünf Jahre einen Inklusionsbericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der in Satz 1 genannten Ziele.

(3) Der Niedersächsische Inklusionsrat von Menschen mit Behinderungen ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Beiräten oder vergleichbaren Gremien und Beauftragten für Menschen mit Behinderungen von Kommunen und gilt bei der Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 als Landesverband einer Selbstvertretungsorganisation.

§ 13
Verbandsklage

(1) 1Ein nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannter Verband oder dessen niedersächsischer Landesverband kann, ohne die Verletzung in eigenen Rechten geltend zu machen, nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung oder des Sozialgerichtsgesetzes Klage erheben auf Feststellung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 4 Abs. 1 und 2 und die Verpflichtung zur Herstellung der Barrierefreiheit nach § 6 Abs. 1, § 7 oder B. 2Die Klage ist nur zulässig, wenn der Verband durch eine Maßnahme in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird.

(2) 1Absatz 1 Satz 1 gilt nicht,

  1. wenn sich die Klage auf einen Sachverhalt bezieht, über den bereits in einem verwaltungs- oder sozialgerichtlichen Streitverfahren entschieden oder ein Vergleich geschlossen worden ist, oder
  2. soweit ein Mensch mit Behinderung selbst seine Rechte durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgt, verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

2Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 kann die Klage nach Absatz 1 erhoben werden, wenn es sich um einen Sachverhalt von allgemeiner Bedeutung handelt. 3Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle vorliegt.

§ 13 a
Zielvereinbarungen

(1) 1Zur Herstellung von Barrierefreiheit können öffentliche Stellen für ihren jeweiligen Aufgabenbereich Zielvereinbarungen mit den nach § 15 Abs. 3 BGG anerkannten Verbänden oder deren niedersächsischen Landesverbänden treffen. 2Auf Verlangen eines Verbands haben die öffentlichen Stellen Verhandlungen über Zielvereinbarungen aufzunehmen, es sei denn, dass für den beabsichtigten Regelungsbereich bereits eine Zielvereinbarung abgeschlossen ist oder Verhandlungen geführt werden. 3Die obersten Landesbehörden können für ihren Geschäftsbereich festlegen, welche Stelle für die Verhandlung über und den Abschluss der Zielvereinbarungen zuständig ist.

(2) 1Hat ein Verband die Aufnahme von Verhandlungen verlangt, so hat er dies unter Benennung des Verhandlungsgegenstands und der Verhandlungsparteien dem für Soziales zuständigen Ministerium anzuzeigen. 2Das Ministerium gibt die Anzeige auf seiner Internetseite bekannt. 3Innerhalb von vier Wochen nach der Bekanntgabe haben andere Verbände und öffentliche Stellen im Sinne des Absatzes 1 das Recht, den Verhandlungen durch Erklärung gegenüber den in der Anzeige genannten Verhandlungsparteien beizutreten. 4Nach Ablauf der Beitrittsfrist sollen die Verhandlungen innerhalb von vier Wochen aufgenommen werden.

(3) In den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 sind insbesondere

  1. der Verband und die öffentliche Stelle, die die Vereinbarung schließen, zu benennen,
  2. die Maßnahmen und der Zeitrahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit festzulegen und
  3. zu bestimmen, wie überprüft werden soll, ob die Maßnahmen zeitgerecht umgesetzt wurden.

(4) 1Das für Soziales zuständige Ministerium führt ein Register, in das der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung von Zielvereinbarungen eingetragen werden. 2Die öffentliche Stelle, die mit einem Verband eine Zielvereinbarung abgeschlossen hat, ist verpflichtet, diese dem für Soziales zuständigen Ministerium innerhalb eines Monats nach Abschluss der Zielvereinbarung schriftlich oder in elektronischer Form zu übersenden. 3Die öffentliche Stelle hat das für Soziales zuständige Ministerium in gleicher Form innerhalb eines Monats nach einer Änderung oder Aufhebung der Vereinbarung hierüber zu informieren.

(5) Abschluss, Änderung und Aufhebung von Zielvereinbarungen zwischen den in Absatz 1 genannten Landesverbänden und Organisationen aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft können auf Wunsch der Zielvereinbarungspartner in das Register (Absatz 4) eingetragen werden.

§ 14
Leistungen für Aufwendungen der kommunalen Gebietskörperschaften

(1) Die Landkreise, die Region Hannover und die kreisfreien Städte sowie die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen erhalten vom Land jährlich insgesamt 1.500.000 Euro.

(2) § 7 des Niedersächsischen Finanzverteilungsgesetzes gilt entsprechend.

(3) 1Von den Zuweisungen nach Absatz 2 für einen Landkreis oder die Region Hannover erhalten die Gemeinden, soweit sie nicht Mitglied einer Samtgemeinde sind, und die Samtgemeinden 50 vom Hundert des um 5.000 Euro reduzierten Betrages nach dem Verhältnis der Einwohnerzahlen. 2Dies gilt nicht für die Landeshauptstadt Hannover und die Stadt Göttingen.

§ 15
Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit

(1) Das für Soziales zuständige Ministerium trägt dafür Sorge, dass ein Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit errichtet und betrieben wird.

(2) 1Das Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit ist die zentrale und unabhängige Anlauf- und Beratungsstelle zu Fragen der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen, deren Angehörige sowie die öffentlichen Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 und des § 9 Abs. 1, für die in § 13 a Abs. 5 genannten Institutionen und für die Zivilgesellschaft. 2Seine Aufgaben sind insbesondere

  1. Erstberatung für die in Satz 1 genannten Personen, Stellen und Institutionen,
  2. Bereitstellung, Bündelung und Weiterentwicklung von unterstützenden Informationen zur Herstellung von Barrierefreiheit,
  3. Unterstützung der Beteiligten bei Zielvereinbarungen nach § 13 a,
  4. Aufbau von Netzwerk- und Kooperationsstrukturen, die den in Satz 1 genannten Personen, Stellen und Institutionen zur Verfügung stehen sollen,
  5. Begleitung von Forschungsvorhaben zur Verbesserung der Datenlage und zur Herstellung von Barrierefreiheit und
  6. Bewusstseinsbildung durch Bildungs- und Informationsveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit.

(3) Ein Expertenkreis, dem mehrheitlich Menschen mit Behinderungen sowie Vertreterinnen und Vertreter der in § 12 Abs. 2 Satz 2 genannten Institutionen angehören, berät das Landeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit.

____________________
Anmerkung der Red.:
Im Artikel 2 des Änderungsgesetzes vom 16.12.2021 heißt es:
Die Landesregierung evaluiert die durch dieses Gesetz für die kommunalen Körperschaften verursachten Kosten im Sinne des Artikels 57 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung bis zum 31. Dezember 2023.


Schule und Recht in Niedersachsen (www.schure.de)